Jedes Unternehmen kann verkauft werden, sofern es die Anforderungen an den Markt erfüllt.
I. Einleitung
Im folgenden Artikel soll der Verkaufsprozess im Nachfolgebereich in groben Zügen skizziert und die wichtigsten Hürden und Stolpersteine beleuchtet werden. Der Titel verspricht viel. Auf der Relativierung – den Anforderungen des Marktes – liegt unser Augenmerk.
Es werden die wichtigsten Herausforderungen angesprochen, welche man klassischerweise antrifft und lösen muss. Wobei es die klassische Nachfolgesituation praktisch nicht gibt. Jedes Geschäft ist einzigartig, keine Nachfolgesituation gleicht in allen Details der andern und erfordert daher eine individuelle Lösung. Kreativität und «out-of-the-box» Denken sind gefragt. Trotzdem gibt es einige Parameter, die sich im grossen Ganzen immer ähneln und daher hier abgehandelt werden.
II. Die Nachfolgesituation
Der Generationenwechsel ist die letzte wichtige Aufgabe des Unternehmers. Sie sollte jedoch auf keinen Fall unterschätzt werden, denn dieses Projekt steht in punkto Rentabilität ohne weiteres den vorhergegangenen nach, wenn es rechtzeitig und sorgfältig geplant und durchgeführt wird. Eine Unternehmensnachfolge ist selbst für ein kleines Unternehmen zu komplex, als dass diese nebenher am Feierabend gelöst werden kann 1. Man tut gut daran sich die Erfahrungen von Spezialisten zu Nutze zu machen. Die meisten Unternehmer haben nur eine Nachfolgesituation in ihrer Karriere, der Nachfolgeplaner eine nach der anderen.
Um den Nachfolgeprozess zu verstehen, beleuchten wir zuerst den Verkäufer, dann den Käufer – welcher aus Sicht des Verkäufers zum «Markt» als Ganzes gezählt werden muss – und dann die weiteren Anforderungen des Marktes. Es folgt ein Exkurs in die Finanzierung, was für beide Parteien ein interessantes und entscheidendes Thema sein kann. Abschluss findet dieser Text durch ein kurzes Fazit.
III. Verkäufer
Damit ein Verkauf überhaupt realisierbar ist, müssen die Vorstellungen des Verkäufers mit denjenigen des Marktes übereinstimmen. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Unternehmer, der sein ganzes Leben lang für seine Firma gearbeitet hat, diese anders wahrnimmt als ein externer, von der Geschichte unbelasteter Kaufinteressent. 1 Dies gilt für alle Aspekte, nicht nur den Preis. Trotzdem wollen wir mit diesem beginnen.
1. Preis
Der Preis ist naturgemäss eine wichtige Grösse für jedes Kaufgeschäft. Er ist aber nie die Ursache, er ist immer Wirkung.1 Fragen wir uns also, wie ein Preis zustande kommt. Dann stellen wir fest, dass er sich immer aus einer Anzahl nicht-monetärer und emotionaler Faktoren zusammensetzt.
Personen, Produkte, Kunden, Lieferanten, Sachanlagen, Risiken, Chancen, Wettbewerber und vieles mehr werden zu einem monetären Wert verdichtet.1
Theoretisch findet sich in einer unendlichen Zeitspanne ein Käufer für praktisch jeden Preis. Die Zeitspanne ist aber niemals unendlich, sondern in der Praxis ziemlich limitiert.
Der Einfachheit halber werden zur Preisfindung Bewertungsmethoden herangezogen, um eine zahlenmässige Aussage zu treffen. Der Wert wird dabei auf dem Papier, in der Theorie, berechnet. Der Preis bildet sich hingegen auf dem Markt, in der Realität. Er ist nicht in Stein gemeisselt und verändert sich mit dem Umfeld. Das grösste Missverständnis ist wohl jenes, dass der berechnete Unternehmenswert auch dem Verkaufspreis entsprechen müsse. Das ist meistens nicht der Fall, weil der Markt andere Regeln kennt als die Theorie. 2 Am Ende zählt, worauf sich Käufer und Verkäufer einigen.
Der Verkäufer tut gut daran, sich an dem zu orientieren, was der Markt zum jetzigen Zeitpunkt hergibt. Phantasiepreise sind nicht zielführend und verursachen Opportunitätskosten.
2. Transaktionsmodell
Neben dem Preis ist das Transaktionsmodell von grosser Bedeutung und hat direkten Einfluss darauf, ob der Interessent bereit ist das Geschäft zu übernehmen. Gemeint ist hier nicht nur die Transaktion des Geldes (Stichwort: Verkäuferdarlehen oder Earn-out Modell, siehe Bst. V) sondern die Übergabe der Firma insgesamt. Hat der Verkäufer Vorstellungen der Übergabe, die kein Käufer mitmacht, ist der Markt offenbar nicht bereit diese zu akzeptieren; Ein Verkauf kann nicht stattfinden.
Zur Veranschaulichung: Ein Verkäufer möchte CHF 2 Mio. haben und verlangt vom Käufer, dass dieser zuerst zwei Jahre zur Probe im Unternehmen arbeitet. Jemand, der CHF 2 Mio. finanzieren kann, wird sich auf eine solche Bedingung nicht einlassen.
3. Anforderungen an den Käufer
Der Verkäufer hat oft ganz spezifische Vorstellungen über den Käufer. Wenn diese im Markt nicht gefunden werden können, muss man sich fragen, ob sie vielleicht neu zu definieren sind.
IV. Käufer
1. Profil
Trotz vorgesagtem, sind die Anforderungen des Verkäufers meistens sinnvoll und gerechtfertigt. Denn oft muss ein potentieller Käufer ein gewisses Profil mitbringen, sei es im Bereich Persönlichkeit, Erfahrung oder Ausbildung. Manche Branchen erfordern ein spezifisches Know-how, ohne welches erfolgreiche Geschäfte nicht möglich sind.
2. Die Welt des Käufers
Die Sichtweise des Käufers unterscheidet sich zum Teil diametral zu der des Verkäufers. Gerade, wenn es um den Preis geht, sieht der Verkäufer vor allem die Vergangenheit; Sein Baby, dass er grossgemacht hat. Diese Sichtweise ist für den Käufer völlig uninteressant. Der Käufer blickt in die andere Richtung, in die Zukunft. Ihn interessieren die zukünftigen Erträge, die erzielt werden können. Für den Käufer ist entscheidend, wann sich der Betrag, den er bezahlt hat, wieder versteuert in seiner Tasche befindet und er anfängt weiteres Geld zu verdienen. Ist diese Zeitspanne zu lang, z.B. gegen 10 Jahre, so ist das Risiko für ihn zu hoch, dass in der Zwischenzeit etwas Unvorhergesehenes die gesamte Situation verändert und seine Erträge vernichtet.
3. Risikoabschätzung
Weil sich ein Nachfolger vor allem dafür interessiert, wie sich der zukünftige Wert seines Investments entwickelt, muss er die entsprechenden Risiken im Auge behalten und bei seiner Bewertung, der Due Diligence des Kaufobjektes, miteinbeziehen. 3 Risiken sind zu identifizieren und überall zu berücksichtigen, wo sie bestehen. Es gibt Branchenrisiken, Risiken bei den Produkten, bei der technischen Entwicklung, beim Standort, den Verträgen (z.B. Mietverhältnisse) und vielem mehr.
4. Exkurs alternative Käufer
Auf dem Käufermarkt tummeln sich weitere Player, insbesondere Investoren und Private Equity Gesellschaften. Diese kommen für den Käufer in der Regel aber nicht in Frage. Denn der Verkäufer will – aus Sicht des Autors zurecht – als Unternehmer sein Unternehmen an einen Unternehmer übergeben. Quintessenz dieser Aussage ist, der Verkäufer will, dass sein Unternehmen auf eine gute Art und mehr oder weniger in seinem Sinn weitergeführt wird. Ihm liegen die Mitarbeiter, Kunden- und Lieferantenbeziehungen, sowie allenfalls der Name oder die Marke, welche er oder sein Vorgänger aufgebaut haben, am Herzen.
In jüngster Zeit treten weitere Akteure auf, welche mit Kapital von Investoren Firmen kaufen, durch eigenes Management die Gesellschaft profitabler machen, um später mit einem Gewinn für den Investor wieder zu veräussern.
In gewissen Fällen können solche Lösungen funktionieren und einen Vorteil für alle Beteiligten bringen. Im Nachfolgebereich ist nichts unmöglich.
V. Weitere Anforderungen des Marktes
1. Zeitpunkt
Wie in vielen Lebensituationen gibt es auch im Nachfolgebereicht den richtigen Zeitpunkt nicht. Was aber mit Sicherheit gesagt werden kann, dass es mit Nachteilen verbunden ist, wenn die Angelegenheit zu lange nicht an die Hand genommen wird. Zu spät kann es nämlich durchaus einmal sein. Planung ist wichtig und dann gilt, wie so oft: «Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es».
2. Branche
Die Branche steht bei der Beurteilung eines Nachfolgeprojektes meistens sehr weit oben. Einerseits bedingt durch die eigene Ausbildung und Praxiserfahrung, andererseits aber auch durch das wirtschaftliche Umfeld sowie die Wahrnehmung aus dem persönlichen Umfeld und den Medien. Unternehmen in entwicklungsfähigen Märkten haben es leichter einen Nachfolger zu finden, als solche in gesättigten Märkten, wo Überkapazitäten, höherer Wettbewerb und tiefere Preise vorherrschen. Solche Branchen sind für Käufer naturgemäss weniger interessant, sie erfüllen unter Umständen die Anforderungen an den Markt nicht. Unternehmen, die sich darin befinden, können im schlechtesten Fall nicht weitergeführt werden.
3. Zusätzliche Einflussfaktoren
Standortattraktivität – Ähnlich wie bei Immobilien, wo die Lage grossen Einfluss auf den Preis nimmt, ist es auch bei Unternehmen. Je nach Konstellation ist es in der Randregion oft schwieriger Geschäfte zu machen.
Immobilien – Liegenschaften, ob betriebsnotwendig oder nicht, beschweren die Transaktion in der Regel und machen einen Verkauf komplizierter. Notorisch ist die Situation, in welcher ein Käufer das Geschäft, nicht aber eine Immobilie, kaufen will bzw. diese nicht finanzieren kann.
Know-how Transfer – Das Know-how muss innerhalb einer vernünftigen Zeit transferiert werden können, sonst wird die Risikoabschätzung für den Käufer zu unsicher.
Verfügbarkeit des bisherigen Eigentümers – Oft muss, um einen reibungslosen Übergang sicherzustellen, der Verkäufer noch für einen gewissen Zeitraum zur Verfügung stehen. Dieser Zeitraum darf allerdings auch nicht zu lang sein, da ansonsten wieder andere Probleme auftreten. Mehrere Jahre sind meist nicht hilfreich.
Vertragsbindungen – Für den Käufer sind die Verträge, an welche das Kaufobjekt gebunden ist, von entscheidender Bedeutung, da er sie mitübernimmt. Es ist seine Aufgabe in der Due Diligence diese zu prüfen und einzuschätzen. Die Aufgabe des Verkäufers auf seiner Seite ist es, diese Einflussfaktoren so positiv wie möglich zu gestalten und zu bereinigen, denn sie haben am Ende einen direkten Einfluss auf die Attraktivität seines Unternehmens (Stichwort: Langfristige Mietverträge bei Retail- und Detailhandel).
Alternative Nachfolgeprojekte – Der Nachfolgemarkt hält immer alternative Projekte bereit, für welche sich ein Käufer entscheiden könnte. Die Verkäufer stehen also im Wettbewerb miteinander auf dem Nachfolgemarkt.
4. Weitermachen – der Markt verlangt es
Es ist wichtig, dass der Verkäufer bis zum Zeitpunkt der Übergabe wie bis anhin weitermacht und erfolgreich Geschäfte tätigt. Wenn z.B. Investitionen mit dem Argument aufgeschoben werden, das kann dann der Nachfolger erledigen, wirkt sich das mit Sicherheit negativ auf den Wert des Unternehmens aus.
VI. Finanzierung
In der Praxis kann grundsätzlich von der Möglichkeit eines vierstufigen Finanzierungsmodells ausgegangen werden. Wobei nur die erste Stufe zwingend erforderlich ist, die andern können – müssen aber nicht – alternativ dazukommen:
Eigenkapital – Der Käufer kauft das Unternehmen mit eigenem Geld in bar
Darlehen von Dritten – Familienangehörige oder Freunde, welche finanzielle Unterstützung bieten; Hypothek, welche aufgestockt werden kann oder dergleichen
Darlehen von einer Bank – siehe unten
Darlehen des Verkäufers – Es ist möglich, dass der Verkäufer in seltenen Fällen ein Darlehen stehen lässt und den gesamten Kaufpreis erst über eine gewisse Zeit einfordert.
Meistens bezahlt der Käufer den Kaufpreis durch eigenes Geld in Verbindung mit einem Kredit der Bank. Die Banken stützen sich bei der Finanzierung in erster Linie auf die Zahlen des Unternehmens. Erlauben diese Zahlen eine Finanzierung, so sind sie offen diese zu gewähren. Berechnet wird dabei, ähnlich wie bei einer Immobilie, die Tragbarkeit abgestützt auf dem EBIDTA. Banken wollen meist ein Eigenkapital in Form von hard cash von 20% sehen, weitere 20% können aus einer anderen Quelle stammen, dann finanzieren sie die restlichen 60%.
VII. Fazit
Aus der Praxis kann die Erfahrung mitgenommen werden, dass Firmeninhaber, die ihre Vorstellungen und Ideen gegen den Markt durchzusetzen versuchen, meist viel länger brauchen, um eine Lösung zu finden und am Schluss einen geringeren Erlös erhalten, als wenn von Anfang an ein marktfähiges Konzept verfolgt worden wäre. Nicht zu vergessen die Beeinträchtigung der Lebensqualität, wenn der Unternehmer im Pensionsalter weiterarbeiten muss, nur weil er mit seinem Konzept keinen Nachfolger findet.
Es ist von Vorteil sein Augenmerk von Anfang an auf die richtigen Aspekte zu legen und die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen.
1 STÄMPFLI, PAUL (2006): Ein Rating zur Abbildung der Nachfolgesituation, in: Nachfolgerating, Rating als Chance für die Unternehmensnachfolge S.276, S. 277, S. 283, S.290
2 STÄMPFLI, PAUL (2010): Unternehmensverkauf – Erfahrungen eines Nachfolgeberaters, publiziert in der Zeitschrift der Handelskammer D-CH Juni 2010